Über das Werk
Als der junge Werther sieht, wie liebevoll die Amtsmannstochter Charlotte mit ihren kleinen Geschwistern umgeht, verliebt er sich unsterblich in sie.
Auch Charlotte entwickelt Gefühle für ihn, muss ihn aber abweisen. Sie hat ihrer sterbenden Mutter versprochen, ihren Verlobten Albert zu heiraten. Werther kann sich nicht in sein Schicksal fügen und gesteht Charlotte nach ihrer Hochzeit mit Albert erneut seine Liebe. Die wachsende Zuneigung zwischen beiden gipfelt im tragischen Ende: Werther nimmt sich das Leben, Charlotte kann sich nur mehr angesichts des Sterbenden zu ihrer Liebe bekennen.
Werther
Handlung
Mitten im Hochsommer probt der verwitwete Amtmann mit seinen noch minderjährigen Kindern Weihnachtslieder.
Werther, der zu Besuch kommt, gerät über die wunderbare Natur ins Schwärmen. Als er die große Liebe sieht, die die Kinder ihrer Schwester Charlotte entgegenbringen, der einzigen erwachsenen Tochter des Amtmannes, ist er tief beeindruckt. Mit Charlotte allein geblieben, gesteht er ihr seine Liebe. Doch Charlotte weicht ihm aus und weist ihn auf einen Schwur hin, den sie ihrer sterbenden Mutter geleistet hatte: Albert, ihren Verlobten, zu heiraten. Da trifft die Nachricht ein, dass Albert zurückgekehrt ist. Werther bleibt verzweifelt zurück.
Einige Monate nach der Hochzeit von Albert und Charlotte kommt es zu einer Aussprache zwischen den beiden Rivalen. Doch Albert scheint Werther die frühere Leidenschaft zu verzeihen. Kaum sind Charlotte und Werther allein, beteuert er ihr gegenüber jedoch erneut seine Liebe. Charlotte weist ihn abermals zurück und erlaubt ihm erst zur Weihnachtszeit das nächste Wiedersehen. Werther flieht und lässt Sophie, die 15jährige Schwester Charlottes, weinend zurück. Sie hat sich unglücklich in ihn verliebt.
Am Weihnachtstag liest Charlotte, die nun ebenfalls Werther zugetan ist, seine Briefe. Eine darin enthaltene Selbstmorddrohung lässt sie erschrecken.
Als Sophie hinzukommt und von Werther spricht, bricht Charlotte in Tränen aus. Als sie wieder allein ist, kommt Werther ganz unerwartet zu ihr. Er fordert einen Kuss, den ihm Charlotte aber verweigert. Daraufhin verlässt Werther Charlotte und schickt Albert einen Brief, in dem er ihn um seine Pistole bittet, die dieser ihm auch schicken lässt.
Als Charlotte die Selbstmordabsichten Werthers bewusst werden, begibt sie sich auf die Suche nach ihm. Doch sie trifft ihn nur mehr sterbend an. Jetzt, wo alles zu spät ist, bekennt sie ihm ihre Liebe. Im Hintergrund singen die Kinder jenes Weihnachtslied, das sie im Sommer einstudiert hatten.
Andrei Serbans 2005 entstandene Inszenierung verlegt die Handlung in behutsamer Weise in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts. Auf der Bühne von Peter Pabst entwickelt sich die Handlung unter, um und in dem großen Baum im Zentrum. Die in seiner Krone sichtbar wechselnden Jahreszeiten bilden unübersehbar das in Werther so wichtige Thema der vergehenden Zeit ab.
Als eines der wichtigsten Werke des französischen romantischen Repertoires besticht Werther zugleich durch einen Formpluralismus, die Carl Dahlhaus als im besten Sinne eklektizistisch beschrieb: »Eklektizismus bedeutet bei Massenet nicht einen Verzicht auf Originalität […], sondern die Freiheit, wechselnden Herausforderungen des gegenstands begegnen zu können.« Auch wenn Massenet mit Werther an den Triumph seiner Manon anschließen wollte, verweigerte er sich dem Diktat des Direktors der Pariser Opéra-Comique, der von ihm hinsichtlich Form und Stil eine Kopie der Erfolgsoper verlangte. Vielmehr suchte er nach neuen schöpferischen Wegen und Ausdrucksformen: So setzte sich Massenet einerseits mit dem Werk Richard Wagners auseinander und experimentierte andererseits mit der Orchestration. Unter anderem ergänzte er das Instrumentarium durch das solistisch eingesetzte Saxophon und erzielte so protoimpressionistisch anmutende Klangfarben.
In seinen Erinnerungen stellt Jules Massenet den Verleger und Librettisten Georges Hartmann als die treibende Kraft hinter Werther dar. Die beiden hatten 1885 gemeinsam die für Massenet so wichtige Parsifal-Aufführung in Bayreuth besucht und waren anschließend in verschiedene deutsche Städte gereist, so auch nach Wetzlar, Schauplatz der Ereignisse, die Goethe zu Die Leiden des jungen Werthers inspiriert hatten. Dort hatte Hartmann Massenet auch eine französische Übersetzung von Goethes Briefroman überreicht. Für das Projekt von Massenets Vertonung des Stoffes ging Hartmann sehr weit, wie der Komponist beschreibt: »Er sprach ein vorzügliches Deutsch, er las Goethe im Original, er schätzte die deutsche Seele, und so legte er großen Wert darauf, dass ich mich endlich mit diesem Werk befasste. Als man mir eines Tages vorschlug, eine lyrische Oper zu La vie de Bohème von Murger zu schreiben, verantwortete er es, ohne mich im geringsten zu befragen, diese Arbeit abzulehnen.«