Über das Werk
In Kürze
Mit The Winter’s Tale nach William Shakespeares Tragikomödie Das Wintermärchen hat der britische Starchoreograph Christopher Wheeldon ein modernes Handlungsballett über zweite Chancen kreiert, das spannungsreich von fundamentalsten menschlichen Emotionen um Eifersucht, Rache, Liebe und Erlösung erzählt:
»Eine Geschichte über Vergebung und Verwandlung, die letztlich unter Beweis stellt, wozu wir alle in der Lage sind: zu Grausamkeit und zu Erbarmen, zu Schattierungen aus Licht und Dunkelheit«, so Wheeldon.
The Winter’s
Tale
Handlung
Zwei Könige, die als Kinder getrennt wurden, finden als Erwachsene wieder zueinander. Der eine, König Leontes von Sizilien, heiratet Hermione und schenkt ihr einen wunderschönen Smaragd. Sie bekommen einen Sohn, Mamillius, und sind überglücklich. Der andere, König Polixenes von Böhmen, besucht den Hof von Leontes. Er freut sich über das Wiedersehen mit seinem alten Freund und bleibt für neun Monate. Zum Zeitpunkt seiner Abreise steht Hermione kurz vor der Geburt ihres zweiten Kindes.
Der Hof von Sizilien
Am Tag der Abreise von Polixenes. Der böhmische Hof nimmt Abschied von den sizilianischen Freunden. Hermione bittet Polixenes, noch eine Woche zu bleiben. Als dieser einwilligt, meint Leontes, von Eifersucht getrieben, den Beweis zu haben, dass ihn seine Frau betrogen hat und das ungeborene Kind von Polixenes ist. Als er rasend vor Wut seinen Freund angreift, flieht Polixenes nach Böhmen. Leontes beschuldigt Hermione öffentlich des Ehebruchs und Verrats und lässt sie verhaften. Mamillius ist darüber so erschüttert, dass er schwer erkrankt.
Im Gefängnis hat Hermione ein Mädchen geboren. Ihre Haushälterin Paulina bringt das Kind zu Leontes in der Hoffnung, ihn davon überzeugen zu können, dass es seine Tochter ist. Stattdessen weist Leontes das Neugeborene gewaltsam zurück und befiehlt Paulinas Ehemann Antigonus, es an einem entlegenen Ort auszusetzen. Antigonus segelt mit der kleinen Prinzessin und einigen Schätzen, darunter der Smaragd, den Leontes einst Hermione geschenkt hatte, in einen aufziehenden Sturm.
Hermione wird vor Gericht gestellt. Sie beteuert ihre Unschuld. Doch der wahnsinnig gewordene Leontes weigert sich, ihr zu glauben. Verwirrt und fiebrig betritt Mamillius den Gerichtssaal. Als er Zeuge der Tragödie zwischen seinen Eltern wird, bricht er zusammen und stirbt vor Kummer. Der Anblick ihres toten Kindes raubt auch Hermione das Leben. Leontes muss seinen verhängnisvollen Irrtum erkennen.
Die Küsten Böhmens
Antigonus kämpft sich in tobendem Sturm an Land. Sein Schiff zerschmettert an den Felsen. Nachdem er die kleine Prinzessin ausgesetzt hat, wird er von einem wilden Bären angegriffen und getötet. Als der Tag anbricht, entdecken ein Hirte und sein Sohn Clown das kleine Mädchen und den Schatz.
In den Hügeln Böhmens. Sechzehn Jahre später
Die Königstochter ist bei dem Hirten, der sie gefunden und ihr den Namen Perdita (Die Verlorene) gegeben hat, zu einer jungen Frau herangewachsen. Sie ist in Prinz Florizel, den Sohn von König Polixenes, den sie und die Dorfbewohner allerdings nur als Hirtenjungen kennen, verliebt. Unter einem mächtigen Baum tanzt sie mit ihm.
Das Dorf versammelt sich zum Frühlingsfest. König Polixenes, dem zu Ohren gekommen ist, dass sich sein Sohn mit einer Hirtin vergnügt, schickt seinen Verwalter, um Florizel auszuspionieren. Als sich der Verdacht bestätigt, wird Polixenes wütend und möchte sich selbst ein Bild machen.
Perdita wird auf dem Fest zur Maikönigin gekrönt. Zu diesem Anlass schenkt ihr der Hirte die Smaragdkette, die er bei dem ausgesetzten Mädchen am Strand gefunden hatte. Polixenes und sein Verwalter mischen sich verkleidet unter die Feiernden, um zu sehen, was Florizel vorhat. Als sie Zeugen der Verlobung des Prinzen mit der einfachen Schafhirtin werden, gibt sich Polixenes zu erkennen. Wütend auf seinen Sohn verurteilt er Perdita und deren Familie zum Tode. Alle fliehen mit dem Schiff nach Sizilien, verfolgt von Polixenes.
Eine Klippe in Sizilien
König Leontes trauert am Grab seiner Frau und seines Sohnes, bewacht von Paulina. Das Schiff von Perdita und Florizel nähert sich Sizilien.
Der Palast in Sizilien
Perdita und Florizel bitten Leontes, ihrer Verbindung zuzustimmen und sich für sie bei Polixenes einzusetzen. Leontes lässt sich von der Ähnlichkeit des Prinzen mit seinem ehemaligen Freund bezaubern und willigt – sich an seine verlorenen Kinder erinnernd – ein, dem jungen Paar zu helfen. Polixenes ist den Geflüchteten gefolgt und will die Verbindung gewaltsam verhindern. Dabei kommt Perditas Smaragd-Kette zum Vorschein – der Beweis, dass sie die verschollen geglaubte Prinzessin von Sizilien ist.
Florizel und Perdita feiern ihre Hochzeit. Als das Fest seinem Ende entgegen geht führt Paulina Leontes zu einer neuen Statue von Hermione und Mamillius. Der König legt voller Gewissensbisse seine Hand auf den Arm der Figur seines Sohnes. Da erwacht das Denkmal plötzlich zum Leben: Hermione hat den Schock im Gerichtssaal überlebt und wurde von Paulina 16 Jahre lang versteckt. Hermione umarmt Leontes. Paulina bringt Perdita, in der Hermione ihre Tochter erkennt. Die Familie ist wieder vereint.
2014 uraufgeführt mit dem Royal Ballet London hat Wheeldon mit The Winter’s Tale dem Ensemble nach seinem drei Jahre zuvor erschienenen Hit Alice’s Adventures in Wonderland einen weiteren »Klassiker für die Zukunft« geschenkt, der nun auch einen Platz im Repertoire des Wiener Staatsballetts erhält. Der Brite, u.a. Artist Associate des Royal Ballet, zählt zu den führenden Choreographen seiner Generation und gilt als »Magier, der das Handlungsballett in ein zeitgemäßes Gewand« gesteckt hat.
The Winter’s Tale, in mehreren Kategorien beim Prix Benois de la Danse 2015 u.a. als »beste klassische Choreographie« ausgezeichnet, vereint das Dunkle und das Helle, die Leichtigkeit und die Schwere, erzählt von zersetzendem Wahnsinn genauso wie von Liebe und Hoffnung sowie Vergebung und Versöhnung. Der komplexen Handlung Shakespeares nähert sich Wheeldons Choreographie mit dramaturgischer Intelligenz und einer reichen Bildsprache. Die Bewegungssprache ist dabei geprägt von der vielschichtigen Charakterzeichnung: mal expressionistisch-muskulär, mal poetisch-sanft. In einem Prolog und drei vielseitig gestalteten Akten lässt der Choreograph verschiedene Welten entstehen, die kongenial auf die diversen zentralen Emotionen reagieren: Während der erste Akt ganz im Zeichen der Tragödie steht, ist der zweite Akt leichter, luftiger, voll reiner Tanzszenen. Im Finale im dritten Akt stehen die Vergebung und Versöhnung aller Figuren im Zentrum.
Nach den u.a. für Wheeldon entstandenen Ballettpartituren für Alice’s Adventures in Wonderland und Like Water for Chocolate hat der englische Komponist Joby Talbot mit seiner Auftragsarbeit für The Winter’s Tale einen weiteren Impuls für das Komponieren für den Tanz gegeben. Gekonnt fusioniert er die klassische mit Weltmusik und reagiert auf die unterschiedlich gestalteten drei Akte. Ein besonderes Highlight ist der zweite Akt, bei dem eine Band an Volksmusik erinnernde Melodien auf der Bühne spielt und in das Geschehen integriert wird. Für diese wählte Talbot verschiedenste Instrumente aus aller Welt wie die indische Bambusflöte Bansuri oder afrikanische und südamerikanische Trommeln: »Ich wollte Volksinstrumente verwenden, aber die Musik sollte nicht so klingen, als käme sie von einem bestimmten Ort in der realen Welt. Shakespeares Böhmen ist ein idyllisches, arkadisches Paradies, kein reales Land, und ich wollte versuchen, die Illusion zu erwecken, dass wir einen winzigen Einblick in die reiche Musikkultur dieses imaginären Reiches erhalten«.