Über das Werk
In einer lebensfeindlichen, fast unbewohnbaren Landschaft vegetieren vier Gestalten: Clov und Hamm, Nagg und Nell.
Hamm, im Rollstuhl, lässt sich von Clov bedienen. Hamms Eltern Nell und Nagg leben in (Müll-)Tonnen, seit sie bei einem Fahrradunfall ihre Beine verloren haben. Zwischen der kontinuierlichen Wiederkehr des Unveränderlichen und der Erinnerung an „früher“ bewegen sich diese vier, indem sie einander tyrannisieren und schmeicheln, beschwören und verfluchen, erzählen und unterbrechen.
Handlung
1. Prolog: Roundelay
Nell singt ein Gedicht von Schritten am Strand am Ende des Tages.
2. Pantomime des Clov
Hamm in seinem Rollfauteuil ist mit einem Laken bedeckt. Ebenso zwei Mülltonnen, die in einem leeren Raum stehen. Clov durchmisst den Raum. Er holt eine Leiter, um aus den Fenstern sehen zu können. Er sieht auch unter Hamms Laken, er lacht. Schließlich zieht er das Laken von Hamms Fauteuil. Hamms Gesicht ist mit einem Taschentuch bedeckt.
3. Erster Monolog des Clov
Clov sinniert über das Ende. Er bringt ein Gleichnis ins Spiel: Legt man immer ein Körnchen zum anderen, ist eines Tages ein Haufen entstanden – “der unmögliche Haufen”. Er will in seine Küche mit den „hübschen Dimensionen” gehen – drei Meter mal drei Meter mal drei Meter – und dort warten, bis Hamm pfeift.
4. Erster Monolog des Hamm
Hamm erwacht gähnend: Nun sei es an ihm zu spielen. Hamm sinniert über den Umfang seines Leidens im Verhältnis zu anderen Leiden. Hamm äußert die Notwendigkeit eines Endes „auch in diesem Unterschlupf” und beschäftigt sich mit seinem eigenen Zögern, zu enden. Endlich beschließt er, sich lieber schlafen zu legen, und bläst auf seiner Trillerpfeife. Clov, der auf das Pfeifen hereinkommt, weigert sich, ihn zum Schlafen fertigzumachen: Er habe ihn gerade aufstehen lassen und habe zu tun.
5. Mülleimer
Der Deckel der eine Mülltonne öffnet sich, und Nagg kommt zum Vorschein. Er klopft auf den Deckel der anderen, und Nell schaut heraus. Auf Naggs Wunsch versuchen die beiden erfolglos, sich zu küssen. Diese sich täglich wiederholende „Komödie” geht Nell gegen den Strich. Nagg hat einen Zahn verloren. Die beiden überprüfen ihre Sinne: Ihr Sehvermögen hat gelitten, ihr Gehör dagegen nicht. Nagg erinnert an den Tandemunfall in den Ardennen, bei dem die beiden ihre Beine verloren haben. Sie amüsieren sich köstlich.
Hamm beschwert sich über den Lärm der beiden, der ihn vom Schlafen abhält. Er beklagt auch ein Tropfen in seinem Kopf, „wie ein Herz“, wie er sagt. Das amüsiert Nagg, der von Nell zurechtgewiesen wird: Es sei zwar nichts komischer als das Unglück, aber über einen Witz, der zu oft erzählt werde, lache man nicht mehr. Nagg erzählt den Witz vom Schneider, der Hose und der Erschaffung der Welt. Während er sich köstlich über die Pointe amüsiert, ist Nell in einer Erinnerung an den Comer See verfangen, wo die beiden sich verlobt hatten.
Auf Zurechtweisung Hamms verschwindet Nagg in seinem Eimer. Hamm ruft Clov, der die beiden “ins Meer werfen” soll. Clov nimmt Nells Arm und stellt fest, sie habe keinen Puls mehr.
6. Roman
Nun will Hamm seine Geschichte erzählen. Er verspricht Nagg ein Dragee, damit der ihm zuhört. Die Geschichte handelt von einem Mann, der in der Christnacht auf dem Bauch kriechend aufgetaucht sei, um Nahrung für sein Kind oder eine eventuelle Aufnahme bei Hamm zu erbitten. Hamm ist unzufrieden mit seiner eigenen Erzählung. Die Geschichte würde das Einführen weiterer Personen erfordern. Er pfeift nach Clov, der erklärt, in der Küche eine Ratte angetroffen zu haben. Deren Ausrottung sei durch Hamms Pfeifen unterbrochen worden. Hamm ruft zum Gebet, doch ihm, Nagg und Clov misslingt die Andacht . Die Existenz Gottes wird zur Disposition gestellt. Als Nagg seinen Lohn für sein Zuhören einfordert, eröffnet ihm Hamm, dass es keine Dragees mehr gäbe.
7. Monolog des Nagg.
Nagg vergleicht die aktuelle Situation mit der Zeit, als Hamm ein Kind war und nachts nach ihm rief. Er hofft, dass irgendwann wieder eine Situation eintritt, in der er Hamms einzige Hoffnung ist.
8. Vorletzter Monolog des Hamm
Hamm bringt seine Traurigkeit zum Ausdruck. Er denkt an all jene, die aus allen Ecken gekrochen seien und denen er hätte helfen und die er hätte retten können. Dann aber erinnert er daran, dass man auf der Erde sei, dagegen gäbe es kein Mittel. Er wägt seine Möglichkeiten ab und reflektiert das Ende, das schon im Anfang sei. Er variiert das Gleichnis von den Körnchen und dem Haufen: Das ganze Leben warte man, dass ein Leben daraus werde. Er pfeift nach Clov.
9. Dialog zwischen Hamm und Clov
Hamm und Clov sprechen über ihre wechselseitige Abhängigkeit. Die Ratte in der Küche sei entkommen, sagt Clov. Hamms wiederholt gestellte Frage, ob es nicht Zeit für sein Beruhigungsmittel sei, beantwortet Clov endlich positiv. Es sei aber kein Beruhigungsmittel mehr da und werde auch nie mehr welches geben.
10. “Es ist zu Ende, Clov” und Vaudeville des Clov
Es sei zu Ende, erklärt Hamm: Er brauche Clov nicht mehr. Clov soll ihm nur den Bootshaken lassen. Bevor Clov ihn verlasse, bittet er ihn noch um ein paar Worte „aus seinem Herzen”. Clov singt ihm ein Vaudeville.
11. Letzter Monolog des Clov
Clov sinniert über die Ordnung der Dinge und das Verhältnis von Leiden und Strafe, von Verfügbarkeit und Freiheit. Seine Gewohnheiten nicht ändern zu können bedeute, dass „es“ auch nie enden und er nie gehen werde. Er stellt sich ein Ende vor, das sich von selbst ereignet. Wenn er falle, werde er weinen vor Glück.
12. Übergang zum Finale
Förmlich bedanken sich Clov und Hamm beieinander. Hamm bittet Clov, ihn noch mit dem Tuch zu bedecken, bevor er geht, aber Clov ist schon abgegangen.
13. Letzter Monolog des Hamm
Während Hamm versucht, sich mithilfe des Bootshakens fortzubewegen, kommt Clov in Reisekleidung wieder herein. Hamm bemerkt ihn nicht.
Hamm will sich dem seit jeher verlorenen Endspiel widmen, er will nicht mehr verlieren. Noch einmal kommt er auf seine Geschichte zurück: Jenen Mann, der seinen kleinen Sohn bei sich behalten wollte, habe er daran erinnert, was die Erde jetzt sei. Und ihm damit seine Verantwortung vor Augen geführt.
Ende des Romans
Hamm pfeift noch einmal, ruft nach seinem Vater. Dann wirft er seine Pfeife von sich und faltet sein Taschentuch auseinander.
Seine Musik, sagt Herbert Fritsch, seien Geste und Grimasse, und die Verbindung von beidem ergibt eine Gesten- und Grimassenpartitur für seine Inszenierungen. Für Fin de partie hat Herbert Fritsch eine Partitur geschaffen, die György Kurtágs Komposition in derselben Weise folgt, in der sich Kurtág Becketts Theatertext nähert: sensibel, aufmerksam, mit Sinn für die Details, die unter der Oberfläche liegen – und dabei durchaus überraschen können. Das Prinzip dieser Inszenierung kann an der „mitspielenden“ Raumbühne beschrieben werden, die Herbert Fritsch als sein eigener Bühnenbildner wie immer selbst entworfen hat: Alles, was Beckett in seinen legendär detaillierten Bühnenanweisungen beschreibt, die György Kurtág in weiten Teilen in seine Partitur übernommen hat, ist irgendwie vorhanden. Und doch geht der Bühnenraum zusammen mit den Darstellerinnen und Darstellern ganz eigene Wege – im wahrsten Sinne des Wortes.
György Kurtág gelingt mit seinen »Scènes et monologues« die umwerfende Variation von Samuel Becketts absurdem Schauspiel. Sein Orchester, das in größter (und ungewöhnlicher) Besetzung zu leisesten, oft kammermusikalischen Momenten angehalten ist, steht im Dialog mit nur vier Solistinnen und Solisten, für die der Komponist etwas erreicht hat, das vielleicht nur durch die jahrzehntelange Beschäftigung mit Becketts Stück möglich wurde: Eine ungeheuerliche Genauigkeit im Ausdruck des Unverständlichen als einer musikalischen Durchdringung und Spiegelung von Sprache. Wie nebenher verhilft Kurtág dabei jenem Aspekt an Becketts Text zu seinem Recht, der in der existenzialistisch geprägten Aufführungstradition oft einen schweren Stand hatte: dem tiefschwarzen, abgründigen Humor.
György Kurtág hatte Becketts Fin de Partie im Uraufführungsjahr 1957 in Paris gesehen und sich seither mit dem Werk beschäftigt, von dem er einmal sagte, es bilde zusammen mit Warten auf Godot seine »Bibel«. An der Oper schrieb Kurtág zwischen 2010 und 2017, 2018 wurde das Werk in der Mailänder Scala uraufgeführt. Kurtág, der mit Fin de Partie 92-jährig als Opernkomponist debütierte, bezeichnete die uraufgeführte Fassung als »versione non definitiva«. Der auch dramaturgisch überzeugenden Komposition lagen etwa zwei Drittel von Becketts Theaterstück zugrunde, der Komponist wollte sich vorbehalten, weitere Teile des für ihn so wichtigen Textes zu vertonen. Auch der Österreichischen Erstaufführung an der Wiener Staatsoper im Oktober 2024, der insgesamt dritte Neuinszenierung des Werks, liegt die »versione non definitiva« zugrunde: Dass Kurtág, der nach wie vor regelmäßig komponiert, noch weitere »Szenen und Monologe« aus Becketts Schauspiel vertont, ist nicht ausgeschlossen.