Über das Werk
In einem spanischen Staatsgefängnis, unter der Schreckensherrschaft des brutalen Gouverneurs Don Pizarro, leidet der unschuldige Don Florestan.
Seine Frau Leonore, getarnt als Fidelio, arbeitet im Gefängnis, um ihm nahe zu sein. Als eine überraschende Inspektion durch den Minister Don Fernando, einen Vertrauten Florestans, angekündigt wird, plant Pizarro, Florestan zu töten. Doch Fidelio stellt sich ihm mutig entgegen. Im entscheidenden Moment erscheint der Minister, um die Unterdrückung zu beenden und Florestan zu befreien. Eine Geschichte von Mut, Liebe und der Triumph über Tyrannei.
Fidelio
Handlung
Der Gouverneur eines spanischen Staatsgefängnisses, Don Pizarro, führt in seiner Anstalt ein Schreckensregiment. Unschuldige werden zu politischen Opfern seines brutalen Zugriffs.
Don Florestan aus Sevilla will diese Willkürakte aufklären, gerät aber dabei selbst in die Hand des Gewaltmenschen. Seit über zwei Jahren schmachtet er in unmenschlicher Einzelhaft. Seine Freunde halten ihn für tot, nur seine Frau Leonore gibt den Verschollenen noch nicht verloren. Da sie Florestan in Gefangenschaft wähnt, verdingt sie sich beim Kerkermeister Rocco als Schließer. In Männerkleidern und unter dem Namen Fidelio verrichtet sie schwere Arbeit, erwirbt sich das Vertrauen ihres Vorgesetzten und gewinnt sogar die Liebe seiner Tochter Marzelline.
Vergeblich bemüht sich Jaquino um die Zuwendung Marzellines. Seit Fidelio im Haus ist, hat sie für sein Werben kein Ohr.
Fidelio kehrt von Erledigungen aus Sevilla zurück. Rocco ist wieder vom Geschick und Pflichtbewusstsein seines neuen Gehilfen angetan: Bald schon sollen Fidelio und Marzelline ein Paar werden. Marzelline und Rocco träumen von einer behaglichen Zukunft, Jaquino sieht seine Aussichten schwinden, Fidelio graut es vor der Ungewissheit.
Da tritt Don Pizarro auf. Aus einem vertraulichen Schreiben erfährt er, dass der Minister seinem Amtsmissbrauch auf der Spur ist: Eine überraschende Visite soll ihn endgültig überführen. Pizarro reagiert prompt: Ein Posten beobachtet die Hauptstraße, ein Trompetensignal soll den Besuch ankündigen. Florestan, das prominenteste Opfer, muss schleunigst beseitig werden. Da Rocco den Mord verweigert, wird der Gouverneur die Tat selbst vollziehen. Nur ein Grab im Verlies soll ihm der Kerkermeister zuvor schaufeln. Marzelline und Fidelio erbitten von Rocco einen kurzen Ausgang für die leichteren Gefangenen.
Voller Freude genießen die Häftlinge die warme Frühlingssonne. Fidelio erfährt bestürzt von dem neuen Auftrag Roccos und will seine schwere Arbeit im Kerker teilen: Wird sie dem Gatten sein Grab bereiten helfen? Empört hat Pizarro den Spaziergang der Gefangenen bemerkt und lässt keine Rechtfertigung gelten. Nur der dringende Mordplan an Florestan verhindert schlimme Sanktionen.
Im Kerker grübelt der erschöpfte Florestan über sein Schicksal.
Seine Lage erscheint ihm aussichtslos, nur das Bewusstsein erfüllter Pflicht tröstet ihn. In einer ekstatischen Vision fühlt er sich von einem Engel mit den Zügen Leonore in die himmlische Freiheit entrückt. Rocco und Fidelio legen mühsam eine Zisterne frei. Florestan erfährt endlich, wer dieses Gefängnis leitet, und will seine Gattin in Sevilla verständigen lassen. Fidelio weiß nun sicher, wen sie vor sich hat.
Eine kleine Labung mit Brot und Wein scheint Florestans letzte Freude zu sein, denn schon naht Pizarro. Aber als er zum tödlichen Streich ausholt, stellt sich Fidelio vor den Gefangenen: »Töt‘ erst sein Weib!«Dem Nachsetzenden hält sie eine Pistole vor, da ertönt das Trompetensignal. Die Ankunft des Ministers verheißt einen Umschwung: Befreiung für die Unterdrückten, Strafe für den Unterdrücker. Pizarro eilt aus dem Kerker, Rocco sagt sich von seinem alten Herrn los, Leonore und Florestan sinken einander glücklich in die Arme.
Das Volk und die Strafgefangenen begrüßen erwartungsvoll den Minister, Don Fernando. Im Auftrag des Königs verkündet er allgemeine Amnestie und das Ende der politischen Willkür. In Florestan erkennt er seinen totgesagten Freund wieder. Leonore darf die Ketten des lange Gedemütigten lösen, Pizarro wird festgenommen.
Fidelio gilt nach wie vor als mythische Freiheitsoper, darüber hinaus »besitzt der Fidelio ein strittiges Libretto mit vielen Ecken und Kanten. Man weiß beispielsweise nicht, was das für Gefangene sind, die da befreit werden. Unschuldige? Politische Häftlinge? Es geht in Fidelio, gewollt oder ungewollt, auch um das Mitläufertum, Rocco ist ein typischer Mitläufer, ein guter Kerl zwar, der aber keine Möglichkeit hat, sich zu wehren. Auf der anderen Seite steht Leonore, diese Frau, von der die Befreiung ausgeht. In diesem Zusammenhang ist uns, Günther Schneider-Siemssen und mir, damals eingefallen, die Zugbrücke als Freiheitssymbol zu verwenden. Und wenn sie sich schließlich öffnet und quasi ein Lichtermeer freigibt – mit den sich umarmenden Menschen -, das hat schon etwas. Die inhaltlich berührenden Momente sind so essenziell, dass sie Beethoven zu seiner einzigen Oper hingerissen haben. Und dieses Hingerissene von Beethoven überträgt sich auf die Zuhörer«, so Regisseur Otto Schenk.
Beethovens Fidelio ist ein Werk doppelter Faktur: In manchem noch stark in der Singspielwelt verhaftet, weist die Oper gleichzeitig, was die Emotionalität und die Affinität zum Musikdrama anbelangt, bereits weit in die Zukunft. Das erlebt man zum ersten Mal bereits relativ früh in der Oper, und zwar beim sehr bekannten, sehr feinen Quartett von Leonore, Rocco, Marzelline und Jaquino (»Mir ist so wunderbar«), in dem die Zeit stehen zu bleiben scheint. Beethoven führt dieses Quartett als Kanon, es gibt also eine Verknüpfung in der Form – und doch steht jede Figur alleine für sich und ist mit der eignen Gedankenwelt beschäftigt. An dieser Stelle tritt auch eine der Herausforderungen der Oper deutlich hervor: Beethoven führt die Gesangsstimmen sehr instrumental, setzt sie also ein, als ob sie Musikinstrumente wären. Im Grunde könnte rein von der kompositorischen Setzung her der Abschnitt auch aus einem Streichquartett entstammen. (Axel Kober)
Beethoven hat sich zeit seines Lebens, von seiner Jugend in Bonn bis wenige Monate vor seinem Tod, intensivst für Musikdramatik interessiert. Libretti gab es genug, 53 an der Zahl. Beethoven hat sich zwar mit all diesen Stoffen beschäftigt, aber letztlich keinen davon vertont. Was uns bleibt, sind nur vage Pläne, ein paar Briefstellen und einige Skizzen mit dahingekritzelten Motiven. Interessanterweise sind keine Kriterien erkennbar, weder in der Auswahl noch in der Ablehnung. In Betracht gezogen wurden u.a.: eine Alcina und eine Armida, Odysseus‘ Wiederkehr und sogar Memnons Dreiklang. Ab Sommer 1808 dachte der Titan darüber nach, Goethes Faust. Der Tragödie Erster Teil zu vertonen. Trotz oder wegen der persönlichen Begegnung der beiden in Teplitz und dem darauf folgenden Gerücht, dass der Geheimrat bereits an dem Opernlibretto arbeitete, wurde daraus dann doch wieder nichts. (Robert Quitta).